Literatur Strahlen 3.0

Literaturfestival im Gletscherblick / 15. – 17. September 2023

„Strahlen“ nennt man die Tätigkeit des Kristallsuchens. Seit Jahrhunderten suchen die Strahler in den Alpen nach Kristallklüften um deren Inhalte zu bergen. Wir suchen nach Literatur, die strahlt und funkelt und kreieren zusammen mit dem Kommode Verlag ein Wochenende vom 15. – 17. September 2023, um gemeinsam diese neu entdeckten Schätze zu geniessen. Im August 2021 haben wir erfolgreich den ersten Pilot-Event auf 1140 m.ü.M durchgeführt und freuen uns, euch das diesjährige Programm von Literatur Strahlen 3.0 vorzustellen.

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Freitag, 15. September 2023

ab 16:00 Uhr Individuelle Ankunft im Hotel Gletscherblick

ab 18:00 – 20:00 Uhr Individuelles Abendessen

20:00 Uhr Lesung von Irène Bourquin «Windrose» Caracol Verlag

21:00 Uhr Lesung von Kathrin Burger «Vor mir wird es morgen» Rotpunktverlag

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Samstag, 16. September 2023

08:00 – 10:00 Uhr Frühstück

11:00 – 14:30 Uhr Literaturspaziergang mit Lesung von Thomas Dütsch «Zwischenhoch» Nimbus Verlag (bei schlechter Witterung im Hotel Gletscherblick)

16:30 Uhr Lesung von Pirmin Beeler «Das Leuchten im Grenzland» Edition Moderne

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18:00 – 20:00 Uhr Individuelles Abendessen

20:00 Uhr Lesung von Wei Zhang «Satellit über Tiananmen» Elster & Salis

21:00 Uhr Lesung von Lu Bonauer «Tausend Schichten Sommerland» Kommode Verlag

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Sonntag, 17. September 2023

8:00 – 10:00 Uhr Frühstück

10:30 Uhr NO PROBLEM – ein Spiel von und mit Annette Beger

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Als Blickwechsel-Package:

  • Alle LESUNGEN UND WORKSHOPS mit unseren Schweizer Autor*innen.
  • 2 Nächte im Standard Doppelzimmer mit eigenem Bad
  • Frühstück inklusive

Preis im Doppelzimmer mit eigenem Bad 270.- CHF pro Person (exkl. Kurtaxen) Preis im Doppelzimmer mit eigenem Bad zur Einzelnutzung 320.- CHF (exkl. Kurtaxen) .

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*Unser Festival wird unterstützt durch die Ernst Göhner Stiftung

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Unsere Autoren 2023

Pirmin Beeler «Das Leuchten im Grenzland»

Nino und seine Freund*innen leben vor sich hin: rumhängen, kiffen und Party machen — bis Nino eines Tages beschliesst, mit seinem Moped über den Gotthard nach Rimini zu fahren …
Jahre später besucht er seine Nonna Giulia im Altersheim, wo sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählt — von ihrer Kindheit im Nachkriegsitalien, der Arbeit in Rom, von ihrer Migration in die Schweiz und wie sie dort Fuss fasst und ihr Leben bestreitet. Im gleichen Altersheim lebt Bruno — auch er wanderte aus und fand in Paris Arbeit als Delfinpfleger für das Moulin Rouge.
… Und Nino — ist er je in Rimini angekommen?

Pirmin Beeler, *1975, wohnt und arbeitet in Zug. Nach Ausbildungen als Maler und später als Fachmann in der psychiatrischen Pflege schloss er 2011 mit dem Bachelor Illustration Fiction das Studium an der Hochschule für Design und Kunst in Luzern ab. 2018 ist sein Début «Hat man erst angefangen zu reden, kann alles Mögliche dabei rauskommen» in der Edition Moderne erschienen. / ©Edition Moderna // Foto ©Barbara Halter

Kathrin Burger «Vor mir wird es Morgen»

Bis zum allerletzten Tag ist sie gerne hingefahren, ins Gymnasium, um junge Menschen mit ihrer Liebe für die deutsche Sprache und Literatur anzustecken. Auch wenn ihr das nicht immer gelungen ist und sie der vielen Schulreformen langsam müde wurde.
Seit dem Ende ihres Berufslebens ist es ihr, als würde sie »in einem leeren, unbewohnten Raum stehen und in eine Landschaft ohne Konturen hinausschauen«. Einen Spiegel dieses inneren Raums findet die Erzählerin in ihrem Garten. Jeden Morgen beobachtet sie, wie sich der Tag langsam durch die graugrüne Wand aus Haselsträuchern, Schlehdorn und Hartriegel herantastet. Jeder Morgen ist anders und ruft andere Gedanken und Erinnerungen wach. Erinnerungen ans Elternhaus mit dem verwunschenen Park, an die ersten Semester an der Universität während der Jugendunruhen, an die Eltern, die sich in der Bewegung »Moralische Aufrüstung« engagierten, und an den früh verstorbenen Bruder, den Schriftsteller Hermann Burger. In ihrem Haus ist es noch still – überhaupt ist es stiller geworden, nachdem die Kinder ausgezogen sind –, nur Apple, der Kater, streicht um ihre Beine und legt sein »flaumiges Katzengewicht« auf ihre Füße. Kathrin Burgers Roman ist mit autobiografischen Elementen durchflochten. Sie erzählt präzise und poetisch. Sie blickt versöhnt auf das Entschwundene, mit Zuversicht auf das Kommende und immer wieder in ihren Garten, dessen stetige Verwandlungen sie in den feinsten Schattierungen nachzeichnet.

Kathrin Burger, geboren 1949 in Menziken, studierte Germanistik in Zürich und promovierte über Georg Trakl. Sie unterrichtete als Gymnasiallehrerin in Fribourg, in Baden und dreißig Jahre lang in Aarau. Daneben engagierte sie sich in verschiedenen kulturellen Institutionen sowie für die Frauenbewegung. Sie lebt mit ihrem Mann in Küttigen und hat drei erwachsene Kinder. / ©Rotpunktverlag // Foto ©Claus Pfisterer

Thomas Dütsch «Zwischenhoch»

Es gleicht jeweils einem Glücksfund, wenn man im inflationären Literaturbetrieb unserer Tage unversehens auf eins der raren Gedichte von Thomas Dütsch stößt. Mit dem Publizieren ist er sparsam, und es vergeht jeweils ein ganzes Jahrzehnt, bis er sich wieder zu einem Gedichtband entschließt: «Windgeschäft» erschien 2001, «Weißzeug» 2011 und nun, als dritter «Zwischenhoch». Erneut ist es eine Wettermetapher, die den Grundton bezeichnet – ein «Zwischenhoch». Es mag vorübergehen, aber es ist da, wenn man es zu empfinden vermag. Die Wechselhaftigkeit in den irdischen Bedingungen und Stimmungen entwertet das Leben nicht, wenn das Zusammengehörige darin erfahren wird. Doch da mit hätte man das Besondere an den Gedichten von Thomas Dütsch bereits interpretatorisch verkürzt. Denn sie schielen nicht nach Tiefe und enthalten nichts Enigmatisches oder Artifizielles – obwohl oder gerade weil sie um die Rätsel von Kunst und Leben wissen. Sie bewegen sich durchweg im Alltäglichen; ihr Auslöser ist oft der unscheinbare Moment, der etwas Ungeahntes auslöst. Es sind die kleinen Pausen des ziellosen Nachdenkens und Umherblickens, Minuten des Wartens in einem Café oder des Ausruhens auf einer Parkbank, die unversehens eine Erfahrung bereithalten. Zum Gedicht werden sie jedoch erst durch die Form, die ihnen existentielles Gewicht verleiht – was auch Humor und Gelassenheit mit einschließt.

Thomas Dütsch, geboren 1958 in Zürich, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Zürich, Tübingen und Berlin. Auf Einladung des Berliner Kultursenats war er 1991 sechs Monate Stipendiat im Literarischen Colloquium Berlin (LCB). Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer und Sprachdozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich publizierte er Gedichte in den Literaturzeitschriften «einspruch», «drehpunkt» und «Sprache im technischen Zeitalter». Auch die «Neue Zürcher Zeitung», die «Zeit» und der «Tages-Anzeiger», Zürich, brachten Gedichte von ihm. / ©Nimbus. Kunst und Bücher // Foto ©Ayse Yavas

Irène Bourquin «Windrose»

Das Mosaik aus kurzen Prosatexten erzählt die Geschichte(n) einer Familie: Schicksale in der Heimat und das fragile «Glück in der Ferne», vom Jura bis in die Ostschweiz, von Zürich bis Paris und Oslo, Yokohama bis New York, von der Bretagne bis nach Indien. Drei Generationen treten auf, ein Jahrhundert vergeht, doch die einzelnen Lebensläufe werden im Zeitraffer geschildert, sind Mosaiksteine im Porträt der Familie. Wie die Farben in einem Mosaik erscheinen viele Figuren mehrmals, in wechselnden Konstellationen, und auch die Zeit ist nicht linear, sondern setzt sich als Mosaik zusammen. Die erzählten Schicksale berühren mit erstaunlichen Wendungen, tragischen Ereignissen, aber auch heiteren Episoden: die frohe Prophezeiung einer Wahrsagerin, die sich erfüllt; ein Familientreffen, bald gefolgt von Unglücksfällen; Auswanderung und Rückwanderung. Da sind die Grosseltern, beide aus Schweizer Kaufmannsfamilien, die in Japan mit ihrer zweijährigen Tochter das katastrophale Erdbeben von 1923 knapp überleben. Der Zweite Weltkrieg, mit dem auch die Geschichte eines Paars beginnt, spiegelt sich in den Kapiteln «Heimatfront» und «Grenzerfahrung». Ein Onkel wandert aus nach Paris, später nach Amerika. Sein unfreiwilliges Outing ist in den frühen 50er Jahren eine Bewährungsprobe für die Familie. «Zwillingslos» berichtet von Grossonkeln: in der Jugend unzertrennlich – später ausgewandert, der eine nach Osten, der andere nach Westen – im Alter unvereinbar.
Das Ganze bietet eine abwechslungsreiche, farbige Lektüre und es lohnt sich, auch jeden einzelnen Mosaikstein genauer zu betrachten.

Irène Bourquin ist 1950 in Zürich geboren. Sie lebt in Elsau bei Winterthur und in Zürich. Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Zürich, Promotion 1976. Ab 1977 Kulturredakteurin und Journalistin; heute Autorin, Co-Veragsleiterin und Lektorin. Buchpublikationen in diversen Verlagen seit 1986; Theaterstücke und Hörspiel. / ©Caracol Verlag // Foto ©Silvia Wiegers-Meyer

Wei Zhang «Satellit über Tiananmen»

Während Mao gerade den »Großen Sprung nach vorn« propagiert, darf »Großmutter« Guo mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter in die Neubergstraße im sogenannten Harmoniedorf ziehen, einer neuen und einigermaßen komfortablen Siedlung auf einem Hügel, zu dessen Füßen die gigantische Dongshan-Stahlfabrik liegt. »Großmutter« wird sie vom Polizisten aus Respekt genannt, und zur Parteisekretärin der Neubergstraße wird sie, weil kein anderes Parteimitglied dort lebt.
Guos Quartierinitiative wird durch den »Großen Sprung nach vorn«, mit der die Stahlproduktion in die Höhe getrieben werden soll, komplett in den Schatten gestellt. Plötzlich bauen sogar die bisher untätigen Hausfrauen des Quartiers einen Hochofen und beginnen Stahl zu schmelzen. Dabei treten sie in einen Wettstreit mit ihren Männern, den Arbeitern des Stahlwerks, darum, einen neuen Produktionsrekord aufzustellen, was damit verglichen wird, einen Satelliten ins All zu schießen.
Die Stahlschmelze schlägt derweil Funken der Liebe, entfacht das Feuer der politischen Gesinnung und lässt die Flammen des Schicksals in den Himmel lodern. Wei Zhangs neuer Roman ist bunt und vielschichtig wie ein Kaleidoskop, dabei präzise beobachtet und mitreißend erzählt.
Und am Ende – nach den Wirrungen der Kampagnenjahre – besinnen sich die Frauen des Quartiers endlich auf ihre Stärken und feiern mit selbstgeschneiderten Jeanshosen der Marke »Satellit« eine echte Kampagne mit greifbaren Erfolgen.

Wei Zhang wurde während der Kulturrevolution in Chongqing, VR China, geboren. Dort studierte sie Anglistik. Seit 1990 lebt sie in der Schweiz. 2007 erschien ihr Buch »Zwischen den Stühlen: Geschichten von Chinesinnen und Chinesen in der Schweiz«. »Eine Mango für Mao« ist ihr erster Roman. Sie schreibt für das Feuilleton der NZZ, arbeitet daneben als Hochschuldozentin und gibt Kurse zu interkulturellen Themen. / ©Elster & Salis // Foto ©Dominic Büttner

Lu Bonauer «Tausend Schichten Sommerland»

In tiefer Liebe beschließen zwei Menschen, das Alltägliche hinter sich zu lassen und sich auf eine Insel zurückzuziehen – weit weg von der Zivilisation. Nur sie beide, einfach so, wie sie sind. Nur ihre Zweisamkeit soll ihnen genügen. Auf das Lieben und Sein wollen sie sich konzentrieren. Sie kommen an, richten und leben sich in ihrem neuen Zuhause ein und lassen sich in der sommerlichen Inselidylle treiben. Doch schon nach kurzer Zeit nehmen sie eigenartige Dinge wahr. Die grimmigen Blicke der Alten, der Nachbarsfrau, die wippend in ihrem Schaukelstuhl herüber starrt. Ein Olivenbaum, der von unsichtbaren Kräften entwurzelt, vor ihren Mietwagen fällt. Ein Flüstern, das bei Neumond durch die Olivenhaine zieht. Ist es die Fantasie der beiden Protagonisten? Was ist real? Und wohin dehnt sich die Realität Schicht um Schicht? In dieser Umgebung, in der immer unheimlichere Ereignisse geschehen, droht die Sphäre dieser Abgeschiedenheit die Liebenden allmählich zwischen Licht und Schatten zu verschlingen und dabei stellen sich eine Menge Fragen. Wie in seiner Novelle Die Liebenden bei den Dünen schreibt Lu Bonauer über die Liebe. In diesem Buch über das Gefühl des Soges einer wahrhaftig empfundenen Liebe. Aber auch, wie dieser wunderbare Sog dazu führen kann, dass sich die Liebenden in sich selbst und in ihrer intensiven Beziehung auflösen.

Lu Bonauer, geboren 1973 in Basel, schreibt Prosa und Lyrik. Seine Texte sind in mehreren Anthologien erschienen und wurden bei diversen Wettbewerben ausgezeichnet, unter anderem war er Gewinner des Schreibwettbewerbs OpenNet der Solothurner Literaturtage und des Monatstextes März 2002 des Literaturhaus Zürich. / ©Kommode Verlag // Foto ©Thomas Brunnschweiler

Unsere Autoren 2022 waren…

Yusuf Yesilöz «Nelkenblatt»

Die alte Elsa braucht nach einer Herzoperation eine Rundumbetreuung, ins Pflegeheim wollte sie nicht. Jetzt steht da in ihrer Küche Pina, eine junge Migrantin, Flüchtling aus politischen Gründen, die ihr Studium unterbrochen hat. Sie soll im Haus wohnen und Elsa helfen vom Aufwachen bis zum Einschlafen.

Oder mehr als helfen: Elsas Tochter Luzia weiss genau, was für ihre Mutter gut ist, sie müsse unbedingt mehr essen und jeden Tag an die frische Luft. Sicherheitshalber schickt sie Rezepte per SMS.

Aber Elsa mag sich nichts vormachen, sie spürt ihre innere Uhr genau. Viel lieber will sie Pina kennenlernen, woher sie kommt, warum sie im Exil ist, wie ihre Mutter gestorben ist, ob sie liebt oder geliebt hat. Und so entsteht eine feine Verbindung zwischen den beiden Frauen, der jungen Pina, die eine Krise des Exils durchlebt, und Elsa, die ihrem letzten Aufbruch entgegensieht. / ©Yusuf Yesilöz

Demian Cornu «Transite kleiner Welten»

Demian Cornu schreibt in seinem Debüt über die Flucht vor Krieg, Zwangsheirat, schmerzhaften Erinnerungen und dem Druck der Selbstverwirklichung, aber vor allem
vom Aufbruch, von der Hoffnung, irgendwann an dem Ort anzukommen, an den man sich vielleicht schon immer erinnert hat, ohne ihn jemals gesehen zu haben.

Ob in einer Sozialwohnung in Bern, auf einem Schlauchboot im Mittelmeer oder in einem Slum der Kairoer Friedhofstadt – die sieben Protagonisten wollen ihre kleinen Welten auf ihre eigene Art in Ordnung bringen. Die unterschiedlichen und dennoch miteinander verbundenen Lebensgeschichten vermitteln dem Lesenden, dass es immer um Liebe geht und darum, für die Menschen da zu sein, die einem etwas bedeuten.

Demian Cornu arbeitete neun Jahre im Asylverfahren. Die in Befragungen, Gesprächen in
Flüchtlingslagern sowie auf zahlreichen beruflichen und privaten Reisen gewonnenen
Erkenntnisse trugen maßgeblich zu einer authentischen Darstellung der im Roman behandelten politischen und kulturellen Themen bei. / ©Demian Cornu

Marianne Künzle «Da hinauf»

Eine Bergtour. Ein schmelzender Gletscher. Tauender Permafrost.
»Da hinauf« ist die dramatische Geschichte zweier Frauen, deren Wege sich kreuzen, die sich aber nie kennenlernen.
Auf einer Bergtour entdeckt Annina, eine junge Journalistin, eine Leiche, die der Gletscher freigegeben hat. Der Kleidung nach muss die Tote Jahrzehnte im Eis eingeschlossen gewesen sein. Die tote Frau ist Irma, die in den Fünfziger Jahren hier gewandert ist.

Irma und Annina begehen zeitlich verschoben denselben Weg. Ihre Wahrnehmung ist aber eine gänzlich andere, ihr Zugang zu sich selbst und der Landschaft unterschiedlich. Annina sucht ihren Platz in der Gesellschaft und muss sich selbst erst kennenlernen, Irma handelt intuitiv, sie lebt und verteidigt ihre Ideale.

Die Gestalt des Gletschers hat sich von Irma zu Annina drastisch gewandelt – in den Fünfzigerjahren ist der Gletscher ein weißer Koloss, im Heute hören wir ihn tropfen, bröckeln. Nur einzelne Anhaltspunkte wie die Bergkulisse, eine Weggabelung oder ein markanter Felsblock in der Landschaft, auf die die beiden Frauen treffen, sind unverändert. Eine mal stille, mal akustisch präsente Natur umgibt die beiden Frauen.

Marianne Künzle, 1973 in Bern geboren, lebt heute im Wallis. Sie war als Buchhändlerin tätig und koordinierte viele Jahre Greenpeace-Kampagnen für eine ökologische Landwirtschaft. Seit ihrer Ausbildung in literarischem Schreiben ist sie Teilzeit-Autorin. 2017 erscheint ihr Debütroman «Uns Menschen in den Weg gestreut» bei Zytglogge. Sie ist Trägerin des 2. Oberwalliser Literaturpreises und erhielt diverse Werkbeiträge. Mehr Infos finden Sie hier.

©Urs Hürzeler

Hannes Binder «Sherlock-Holmes –Das letzte Problem»

Deerstalker-Mütze tief im Gesicht, qualmende Pfeife, aufgestellter Mantelkragen – so kennen wir Sherlock Holmes, den berühmtesten Detektiv aller Zeiten. Normalerweise ermittelt er von der Londoner Baker Street aus. Doch Holmes’ spektakulärster Fall führt ihn in einer temporeichen Verfolgungsjagd von der Metropole London quer über den Kontinent in die malerische Schweiz. Am tosenden Reichenbachfall kommt es zum Showdown zwischen Holmes und seinem Erzfeind Professor Moriarty. Wer wird triumphieren in diesem Kampf zwischen Gut und Böse?

Schwarz-weiße Strichzeichnungen auf Schabkarton sind Hannes Binders Markenzeichen. Der Zürcher Illustrator hat für diesen epischen Stoff dramatische Bilder der Schweizer Landschaft geschaffen, deren Sogwirkung man sich kaum entziehen kann. Eine spannungsreiche Graphic Novel für Einsteiger.

Hannes Binder wurde in Zürich geboren. Er studierte an der Kunstgewerbeschule Zürich und arbeitete später als Grafiker und Illustrator zeitweise in Mailand und Hamburg. Mehr als 50 Werke für Erwachsene und Kinder hat er mit seiner charakteristischen Schabkarton-Technik in Szene gesetzt. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Preise, u. a. den Schweizer Kinder- und Jugendmedienpreis. Hannes Binder lebt in Zürich und im Tessin. / ©Hannes Binder

Christine Rinderknecht „Sieben Jahre mit dem Japaner“

Was wissen wir über uns selbst, über einander, über die stimmlosen Dinge, die uns begleiten? Was kann über einen Menschen nach langer Zeit herausgefunden, gesagt, gezeigt werden, was bleibt für immer im Dunkeln? Am Anfang steht ein goldenes Kästchen, ein sogenanntes Takamakie-Lackkästchen. In den frühen Tagen des 20. Jahrhunderts in einem kleinen Geschäft in Kyoto erworben, wird es zusammen mit diversen Bücherkisten, gesammelten Kunstgegenständen und der Garderobe seines Besitzers eingeschifft und gelangt auf dem Seeweg nach Antwerpen, von dort weiter in ein kleines Dorf im Schweizer Fricktal, wo es auf einem staubigen Dachboden landet. Einige Jahrzehnte später steht es auf der Frisierkommode einer jung verheirateten Frau, wo es die Neugier eines kleinen Mädchens weckt. Das Mädchen wird zur Frau, die Frau macht sich, wieder Jahrzehnte später, daran, seine Geschichte zu erzählen. Wieder reist sie durch die Jahrhunderte, nur diesmal in umgekehrter Richtung, reist nach Paris, Rouen, Moskau und kommt schliesslich in Kyoto an. Sie sucht die Straßen, durch die ihr Großonkel Wilhelm, der Besitzer des Kästchens, noch mit der Rikscha fuhr. Sucht seine verhallenen Schritte, seine vermuteten Gedanken, erschließt seine Beweggründe. Was sie findet, bleibt bruchstückhaft, wird fassbar und entzieht sich wieder. Doch jedes einzelne Dokument und jede zufällige Begegnung sind prall gefüllt mit Leben.

Geboren 1954 in Nussbaumen AG.Nach dem Studium der Germanistik, Romanistik, Literaturkritik in Zürich, Paris und Berlin stürzte sie sich in die Theaterwelt und machte eine erste Regieassistenz. Sie ist Co-Leiterin von Theater Gubcompany, einer freien Theatergruppe in Zürich, und schreibt Texte fürs Theater, Romane, Erzählungen, Kurzgeschichten. Nach einem Erzählband bei Zytglogge 1994 erschienen zwei Romane, 2002 »Ein Löffel in der Luft« bei Pendo und 2005 »Lilli«,ebenfalls bei Pendo. Ihr Theaterstück »Livia_13« wurde ins Russische übersetzt.Für ihr Werk erhielt sie verschiedene Auszeichnungen. / ©Heinz Gubler

Thomas Pfenninger «Gleich, später, morgen»

Täglich fährt der Briefträger seine Route durch ein Zürcher Quartier. Ein Quartier mit einer Wohnsiedlung wie man sie an vielen Orten auf dieser Welt findet. Diese Tour fährt er bei Sonnenschein, Schnee oder Regen. Er versucht tagein, tagaus ein guter Briefträger zu sein. Und ein guter Mensch, der sich um seine Mitmenschen sorgt. In seiner Funktion als Überbringer guter und schlechter Nachrichten wird er zum Geheimnishüter, dessen Mitgefühl dazu führt, dass er den Menschen in der Siedlung helfen möchte. Dabei will er zuerst eigentlich nur Lauriane näherkommen. Er sieht sie täglich auf seiner Zustelltour, aber leider nie ausserhalb ihres Fensterrahmens.

Je mehr der Briefträger Anteil an den Sorgen der Menschen aus dem Quartier nimmt, desto mehr werden sie zu seinen eigenen. So verstrickt er sich immer tiefer in die Geschichten der einzelnen Bewohner*innen, und als er merkt, dass ihm alles über den Kopf wächst, ist es schon zu spät, als dass es einen einfachen Ausweg für ihn gäbe.

Thomas Pfenninger (*1984) wuchs in Zürich auf und lebt heute in Bern. Neben seiner Tätigkeit als freischaffender Autor und Texter arbeitete er neben anderem als Mediensprecher oder Kommunikationsbeauftragter für verschiedene Unternehmen in Zürich, Berlin und Bern. 2017 veröffentlichte er im Eigenverlag den Gedichtband »Fragmente«. Inhaltlich befasst sich Pfenninger in »Fragmente« mit Fragen der Relation von Wahrheit und Wahrnehmung. 2018 beendete er die Arbeiten am Roman »Die Löffel-Monologe«, welcher noch nicht veröffentlicht wurde. Der Roman »Gleich, später, morgen« ist sein Debüt.